Sind Neo-Broker eine Gefahr?

von Benjamin Bösch

 

 

Was du als Anleger über TradeRepublic, Scalable Capital, Robinhood & Co wissen solltest.

 

Noch nie waren so viele junge Anleger an der Börse tätig wie heute. Und das nicht zuletzt aufgrund von neuen Apps und sogenannten Neo-Brokern. In der Presse liest man aber sehr viel Kritik über diese Broker und, dass sie sehr gefährlich seien.

 

 

 

Was ist ein Neo-Broker?

 

Neo steht für neu und das beschreibt diese neuen Broker schon fast sehr gut. Sie haben sich dazu verschrieben, das Handeln mit Aktien und diversen Derivaten sehr einfach zu gestalten, einen sehr einfachen Zugang zum Kapitalmarkt zu bilden und sie zeichnen sich auch davon ab, dass sie meistens eine sehr gut designte Smartphone-App haben. Davon unterscheiden sie sich von den klassischen Brokern, die in der Regel eine deutlich breitere Produktpalette haben. Man kann mehr Wertpapiere handeln und vor allem auch an mehr Handelsplattformen, dafür ist es bedeutend komplexer zu bedienen. Bei den „alten“ Brokern dauert die Identifikations-Verifikation sehr viel länger, sie sind komplexer zu bedienen und sie sind meistens auch um einiges teurer als die Neo-Broker. Üblicherweise handelt es sich hier eher um Technologieunternehmen, die im Hintergrund mit Banken und Depotbanken zusammenarbeiten. Ausgelöst wurde dieser Trend ganz eindeutig von Robinhood in den USA. Sie waren die ersten die einen reinen Smartphone-Broker entwickelt haben, bei dem das komplette Trading kostenlos ist. Finanziert wird das, indem das Handelsvolumen an große Hedgefonds weiterverkauft wird. Die App ist sehr einfach zu bedienen und es gibt auch leichten Zugang zu den verschiedensten Finanzderivaten mit denen man (gehebelt) auf steigende und fallende Kurse setzen kann.

 

Warum erleben wir einen Trading-Boom? Wir befinden uns in einer Höchstphase, was die Anzahl der Aktienanleger betrifft. Aber wieso? Heute kann jeder volljährige Schüler, Lehrling oder Student sich eine App herunterladen, sich innert wenigen Minuten verifizieren und dann loslegen. Auch mit sehr geringen Beträgen (bei manchen Brokern schon ab EUR 10,00 im Monat). Wer in diesen jungen Jahren schon mit wenig Kapital seine ersten Erfahrungen am Kapitalmarkt sammelt, lernt unglaublich viel dazu ohne wirklich eine große Summe an Gebühren oder größeren Verlusten. Ein weiterer Punkt ist, dass es ein digitales Produkt ist. Das heißt, dass es sehr stark skalierbar ist und du kannst diese App sehr schnell an Freunde verteilen. Hier ist selbstverständlich größte Vorsicht geboten, denn bei steigenden Kursen regiert vor allem die Gier und das „Fomo“ (Fear Of Missing Out). Dies treibt viele, vor allem unerfahrene Anleger dazu, noch schnell ein Konto bei einem solchen Neo-Broker zu eröffnen und zu traden.

 

 

 

Vor- & Nachteile

 

Ist das nun positiv oder negativ zu sehen? Insgesamt würde ich die Gesamtlage als positiv einschätzen, weil in Deutschland und Österreich schon seit Jahren für eine bessere Aktionärskultur gekämpft wird und jetzt scheint es als wäre die Zeit dafür gekommen, nichtsdestotrotz gibt es auf der anderen Seite auch viele Risiken:

 

·       Zunächst muss die Illusion der nur steigenden Kurse zerstört werden (Stonks only go up – Meme), denn Aktienkurse kennen nicht nur die Richtung nach oben, sondern es kommt auch regelmäßig zu Korrekturen des Aktienmarkts. Selbstverständlich muss dieses Risiko nicht einfach so hingenommen werden. Mit einer langfristigen und diversifizierten Anlage kann sich solch ein Risiko relativ gut vermeiden.

 

·       Hebelprodukt trifft junge Investoren. Gerade die Kombination aus intuitivem, spielerisch gestaltetem Interface und dem Angebot von hochspekulativen Derivaten ist meiner Meinung nach eine sehr schwierige und gefährliche Kombination. Dieses Angebot hegt ein extremes Suchtpotenzial und hat mit sinnvollem, klugem und langfristigem Investieren nichts mehr zu tun. Aus dem Markt, der uns zu finanziell freieren Menschen machen soll, wird auf einmal zum Casino. Über das sollte man sich auf jeden Fall bewusst sein und Spekulieren ist ganz klar von Investieren zu unterscheiden.

 

·       Infrastruktur der Neo-Broker. Bei der Causa Gamestop haben sicher einige mitbekommen, dass viele Broker das Kaufen dieser Aktie eingestellt haben. Die Begründungen waren vielfältig, aber eine stach vor allem heraus. Die Infrastruktur der Neo-Broker könne dem großen Ansturm nicht gerecht werden. Außerdem waren einige Broker nicht mit genug Kapital ausgestattet und mussten deshalb innerhalb von wenigen Tagen mehrere Milliarden an neuen Investorengeldern einsammeln. Die Neo-Broker waren für so etwas nicht gerüstet und viele Spekulanten konnten ihre hochriskanten Finanzprodukte nicht mehr loswerden. Überleg dir daher, ob eine langfristige Anlage nicht sinnvoller ist, weil kurzfristige Marktschwankungen und Broker-Probleme hier für dich völlig irrelevant sind.

 

 

 

Mein persönliches Fazit

 

Es ist sehr spannend und erfreulich, dass so viele junge Menschen den Zugang zum Kapitalmarkt gefunden haben. Da wir uns zurzeit in einer Phase befinden, in der es neben Aktien verhältnismäßig wenige alternative Investments gibt (keine Zinsen, Anliehen rentieren negativ) ist das sehr zu begrüßen. Bis zu einem gewissen Grad kann ich das auch gut nachvollziehen wenn Menschen, die neu an den Kapitalmarkt kommen und eine sehr geringe Risikoaversion haben erstmal anfangen zu zocken und Erfahrungen sammeln wollen. Hierfür bieten Neo-Broker natürlich eine gute Plattform an. Trennt daher euer Funny-Money von euren langfristigen Investments (siehe Core-Satellite-Strategie im letzten Blog-Beitrag). Dafür eignen sich zwei verschiedene Depots um zu sehen ob sich das Zocken auch wirklich rentiert und wie sich das mit der langfristigen Investition vergleichen lässt. Auch wenn ich kein Fan der risikoreichen Spekulation bin, sollten die Broker keine erzieherische Rolle übernehmen und seine Kunden bevormunden (siehe Gamestop-Aktie).