All-Time-High: Jetzt noch investieren oder lieber abwarten?

von Benjamin Bösch

 

 

Es ist mal wieder so weit. Überall in den Zeitungen und Medien steht das Wort ATH. ATH steht für All Time High (Allzeithoch). Das gilt nicht nur für die Kryptomärkte, sondern auch für den Großteil der Aktienmärkte (vor allem Technologiesektor). Sehr viele Anlegerinnen und Anleger sind jetzt sehr unsicher, ob sie ihr Geld noch gewinnbringend veranlagen und investieren können oder ob sie nicht doch noch auf eine Marktkorrektur warten sollen. Es fühlt sich nicht gut an, zu spät bei der „Rally“ dabei zu sein, aber ist ein ATH wirklich ein Indikator dafür, sich bei einer Investition zurückzuhalten?

 

Als All Time High bezeichnet man Aktienkurse bzw. Kurse von großen Indizes, die gerade so hoch stehen wie noch nie zuvor. Nach dem Corona-Crash im Jahr 2020 gab es zuerst ein wenig Verunsicherung, aber auch viel Begeisterung, da zu sehr günstigen Kursen großartige und wertvolle Aktien gekauft werden konnten. Die Märkte waren rund 30% gesunken und viele haben diese Chance genutzt in den Aktienmarkt einzusteigen.

 

 

Hier sehen wir einen Chart des Aktienindex S&P 500, in dem die 500 größten börsennotierten amerikanischen Unternehmen vertreten sind. Wer hätte nicht gerne in diesen Index investiert und wäre an den rot-markierten Stellen ausgestiegen? Das waren die temporären All Time High’s. Ähnlich könnte man Argumentieren, wenn man sich den letzten roten Kreis anschaut. Das ATH an dem wir uns derzeit befinden. Diese Überlegung unterliegt allerdings einem kleinen Denkfehler, denn es gibt einen Unterschied zwischen historischen und temporären Allzeithochs. Historische Allzeithochs lassen sich natürlich leicht definieren, in dem man einfach in die Vergangenheit schaut und sich die höchsten Stellen betrachtet. Die Realität ist aber etwas anders, denn das heutige ATH ist auch nur dadurch entstanden, weil es vorher bereits Allzeithochs gegeben hat, die sich dann immer wieder übertroffen haben. Aus diesem Grund solltest Du dich nicht verwirren lassen, wenn in der Presse steht, dass wir uns auf einem neuen Allzeithoch befinden. Es kann sich um ein temporäres ATH handeln ;-). Genau genommen ist ab jetzt, jeder Cent, der eine Aktie teurer macht, ein neues ATH! Der Ansatz zu sagen, dass wir uns an einem ATH befinden und deshalb verkaufen bzw. nicht kaufen sollen, weil es ja wieder nach unten geht (wie es nach ATH’s meistens der Fall ist) ist nichts anderes, als ein aktiver Versuch Market Timing zu betreiben.

 

Um das ganze etwas plakativer darzustellen, schauen wir uns ein Beispiel an: Angenommen wir würden heutzutage noch 1% auf ein Sparbuch bekommen, wäre jede Zinsausschüttung am Sparbuch ein neues ATH. Trotzdem lassen wir uns das nicht sofort auszahlen, nur weil es sich am höchsten Stand befindet.

 

Wenn du eine passive Buy & Hold Anlagestrategie befolgst, musst Du dir überhaupt keine Sorgen über All Time High’s machen, weil du kein Market Timing betreibst und somit nicht versuchst, den Markt in kurzen Zeiträumen zu „outperformen“.

 

„Time in the market beats timing the market” – Ken Fisher

 

 

Warten ist nicht kostenlos

 

 

ATH’s sollten dich also nicht davon abhalten, mit dem Investieren loszulegen, denn auch warten ist nicht kostenlos. Tatsächlich kostet dich das Warten auch etwas: Opportunitätskosten. Im Endeffekt ist das Risiko, nicht im Markt dabei zu sein und damit steigende Kurse zu verpassen, höher, als das Risiko Aktienkurse zwischenzeitlich mal abrutschen.

 

„Investoren, die sich auf eine Korrektur vorbereiten und versuchen diese zu antizipieren, haben dadurch weit mehr Geld verloren als durch die Marktkorrekturen selbst!“ – Peter Lynch

 

Opportunitätskosten sind also „entgangene Gewinne“, also die Gewinne, die ich hätte machen können, wenn ich im Markt gewesen wäre. Das ist ein sehr hypothetisches Konzept, deshalb hier ein kleines Beispiel:

 

Du verdienst 60.000 € im Jahr. Dein Chef bietet dir eine akademische Fortbildung an, die er bezahlt. Allerdings bekommst du in der Zeit der Fortbildung kein Geld. Das bedeutet, dass euer Gehalt von 60.000 € wegfällt (=Opportunitätskosten, weil du die 60.000€ verdienen könntest, wenn du keine Fortbildung machen würdest).

 

Das ATH ist übrigens auch kein Bewertungskriterium, um festzustellen, ob eine Aktie über- oder unterbewertet ist. Es hat schlichtweg keine Aussagekraft und ist nicht vergleichbar mit Verhältnissen, die man zur Bewertung bildet (z. B. KGV). Eine Aktie kann z. B. bei einem absoluten ATH stehen und trotzdem noch stark unterbewertet sein!